Wie die Hygiene perfekt wird
Beitrag aus htr hotel revue | Nr. 10 • 14. Mai 2020 | Geschrieben von Robert Wildi
Schutzmassnahmen
Hotels buhlen mit strengen Reinigungskonzepten um die Gunst der Kunden. Was Hoteliers alles machen und Hersteller bieten, damit die Hygiene im Hotel perfekt wird.
Nachdem die gastgewerblichen Branchenverbände und der Bund Anfang Mai ihre gemeinsamen Schutzkonzepte für die Wiedereröffnung «unter Covid-19» präsentiert haben, ist der Wettbewerb um Hotelgäste lanciert. Erfolgschancen dürfte indes nur haben, wer den Gästen eine maximale Sicherheit vor einer Virusansteckung glaubhaft vermitteln kann. Wie von etlichen Hoteliers zu hören ist, dominiert dieses Thema bei fast allen Anfragen.
Gefragt sind also Hygienekonzepte, die keine Wünsche und vor allem keine Risiken offenlassen. Gerade Hotels im Tessin, die von der Corona-Epidemie besonders heftig getroffen wurden, hängen stark vom Sommergeschäft ab und legen sich nun besonders ins Zeug. «Wir befolgen alle Bundes- und Kantonsprotokolle und möchten, dass es perfekt wird», sagt etwa Massimiliano Ferrara, Resident Manager im Grand Hotel Villa Castagnola in Lugano. Dazu habe man für Covid-19 ein noch weitergehendes Hygienekonzept ausgearbeitet. So werden im Hotel zum Beispiel sämtliche Mitarbeitenden permanent einen Mundschutz tragen. Für jedes der 74 Gästezimmer wird ein separates Reinigungs-Kit zusammengestellt, das mit den qualitativ hochwertigsten Reinigungs- und Desinfektionsmitteln bestückt ist.
«Zwischen Checkout und Check-in werden wir bewusst längere Zeitfenster aussparen.»
Eveline Peduzzi, Hotel Villa Castagnola Lugano
Im Castello del Sole ist Fiebermessen an der Tagesordnung
Das Hotel bezieht alle Mittel vom international bekannten Produkthersteller Diversey, der im Zuge von Corona auch für die Radisson Hotel Group ein globales Reinigungs- und Desinfektionskonzept entwickelt hat. «Sämtliche von uns verwendeten Mittel entsprechen den Richtlinien für Covid-19, weil sie über einen überdurchschnittlich hohen Desinfizierungsgrad verfügen», sagt die «Villa Castagnola»-Hotelhaushälterin Eveline Peduzzi, die einen Zertifikatslehrgang im Gesundheitssektor absolviert hat. Alle Handläufe, Aufzugsknöpfe, Türen und weiteren Oberflächen werden mehrmals täglich gereinigt und desinfiziert. Dies nach einem streng durchgetakteten Arbeitsregime, das auch die Bewegungen der Gäste im Hotel berücksichtigt. «Wir vollziehen diese Prozedur für sämtliche Geräte und Räumlichkeiten bis ins kleinste Detail und werden daher zwischen Check-out der abreisenden sowie Check-in der ankommenden Gäste bewusst längere Zeitfenster aussparen.»
Ein umfangreiches Hygienekonzept hat auch das «Castello del Sole» in Ascona erarbeitet. So werden an sämtlichen Ein- und Zugängen rund ums und im Hotel Desinfektionsmittelständer der Hygienepartnerfirma Steinfels Swiss installiert und permanent nachgefüllt. Ebenfalls werden sämtliche Abteilungen im Hotel mit Infrarotfiebermessern ausgerüstet, um allfällige Krankheitssymptome bei Mitarbeitenden sofort zu erkennen und entsprechend zu handeln. Diese dürfen das Hotel lediglich über einen zentralen Eingang betreten, wo schon frühmorgens die erste Temperaturmessung stattfindet. Ein mit FFP-3-Maske und Handschuhen ausgestatteter Mitarbeitender mit medizinischem Hintergrundwissen führt bei jeder Kollegin und jedem Kollegen zudem eine Kurzbefragung zu allfälligen Symptomen durch.
Vorsicht bei Plexiglas und ausgetrockneten Händen
Das strenge Reinigungs- und Desinfektionsregime im Hotel selbst müssen alle Teammitglieder auch in ihren Mitarbeiter-Appartements jederzeit einhalten. Sämtliche Wäsche aus den Gästezimmern, aus dem Spa und Schwimmbad wird im «Castello del Sole» per sofort mit einem Spezialprogramm bei mindestens 75 Grad gewaschen. Tischwäsche bei minimal 60 Grad, damit alle Keime sicher eliminiert werden.
Auf die Expertise ihrer Partnerfirmen im Hygienesektor sind die Hotels in solchen Zeiten ganz besonders angewiesen. So hat auch die Van-Baerle-Gruppe aus Münchenstein BL für ihre Kunden in der Hotel- und Gastronomiebranche einen Pandemieleitfaden für die «Opening-Phase» entwickelt. Er beinhaltet verschiedene Nuancen, etwa für Mitarbeitende. So soll das Hotelreinigungspersonal darauf achten, die Schutzhandschuhe regelmässig zu wechseln, um Hautreizungen vorzubeugen. Ebenso sei es wichtig, neben dem regelmässigen Waschen und Desinfizieren der Hände pflegende Handcreme zu benutzen. Denn allzu trockene Haut werde rissig, was zu neuen Infektionskanälen für Viren führe.
Auch warnt Van Baerle die Betriebe davor, zu aggressive alkoholische Reinigungsmittel für Kunststoffe wie Plexiglas oder Polycarbonat zu nutzen. Diese würden dadurch beschädigt. Und auch ganz wichtig: Bei Desinfektionen müssen Konzentrationen und Einwirkzeiten des Hersteller «zwingend» eingehalten werden. Aus den gesteigerten Hygienebedürfnissen, mit denen sich die Hotellerie konfrontiert sieht, ergeben sich teils ganz neue Kooperationen. So hat die Firma Novapura aus Baar, bislang vor allem auf die Desinfektion von Spitälern spezialisiert, ein ausgefeiltes Hygienekonzept für die vier Hotelbetriebe von Tradition Julen in Zermatt entwickelt. Es beinhaltet unter anderem eine spezielle Sprühdesinfektion der Gästezimmer mittels eines sogenannten Diffusors. Tradition Julen ist der erste Hotelkunde der Firma.
An Anfragen fehlt es den Firmen nicht, der Bedarf in der Hotellerie ist riesig. Steinfels Swiss betreut 400 Schweizer Hotels, davon rund 150 mit detaillierten Reinigungs- und Hygienekonzepten. «Durch die Decke» gehen im Moment die Anfragen für neue Desinfektionsständer, wie Marketingleiter Roger Nessensohn sagt. Ein Ostschweizer Bauer habe den Prototyp kürzlich für Steinfels entwickelt und komme jetzt kaum mehr nach mit Produzieren. «Allein in den letzten zwei Wochen haben wir über 600 Stück im Gastgewerbe ausgeliefert.» Hygiene sei das Gebot der Stunde und aktuell das wichtigste Verkaufsargument in der Branche. Das wird sich so rasch wohl auch nicht ändern.
Nachgefragt
Interview mit Liberato Marro
Geschäftsführer Zentralschweiz/
Tessin und Hygienespezialist beim integralen Facility-Service-Unternehmen Vebego AG
Liberato Marro, welches sind für ein griffiges Betriebs- und Hygienekonzept in einem Hotel gegen Covid-19 die zentralen Pfeiler?
Wichtig ist, dass die Abstände zwischen Gästen untereinander sowie Mitarbeitenden stehts gewahrt werden und dass es keine unkontrollierte Personenballungen gibt. Wir schlagen Zirkulationskonzepte vor, welche die Gehwege von Gästen und Mitarbeitenden in einförmiger Richtung kanalisieren. Der zweite zentrale Punkt ist eine pedantisch gründliche Reinigung und Desinfektion aller Oberflächen und Gegenstände. Diese sollte täglich erfolgen, bei hochfrequentierten Berührungspunkten wie Paneelen, Türklinken und Ablageflächen sogar stündlich. Stets mit Einwegtüchern, die danach sofort in einen geschlossenen Mülleimer respektive -sack geworfen und fachgerecht entsorgt werden.
Und wie wird die Einhaltung sichergestellt?
Das Hotel muss ein engmaschiges Kontrollregime etablieren und ebenfalls stündlich alle Einrichtungen wie Toiletten etc. auf die Einhaltung der Massnahmen prüfen. Das kostet Aufwand, ist aber in der aktuellen Situation unumgänglich.
Was ist wichtig für die Reinigung der Hotelzimmer?
Aufgrund der zum Teil längeren Schliessung der Betriebe müssen sämtliche sanitäre Anlagen vor Inbetriebnahme gründlich gespült werden. Beim Betreten der Gästezimmer sollten Mitarbeitende immer Handschuhe und Schutzmaske tragen, und nachdem ein Gast abgereist ist, müssen neben der regulären
Reinigung alle Berührungspunkte wie Telefon, Kaffeemaschine, Minibar, Fernbedienung, Heizungspaneel, Türgriffe sowie das ganze Badezimmer komplett desinfiziert werden.
Worauf ist im Spa- und Wellnessbereich zu achten?
Dieser Bereich ist besonders sensibel, weil sich die Gäste, oft schwitzend, teils sehr nahekommen. Im Hygienekonzept, das wir aktuell gemeinsam mit Hotelkunden entwickelt haben, bleiben Saunas und Dampfbäder zurzeit noch geschlossen. Bei den aktuellen Vorgaben des BAG lässt sich eine strikte Einhaltung der Richtlinien in Hotel-Spas nicht garantieren. In reinen Spa- und Wellnesszentren oder Thermen ist dies aufgrund der grosszügigeren Platzverhältnisse indes möglich.
Und wie siehts im Aussenbereich aus, etwa rund um einen Swimmingpool?
Auch hier haben wir klare Richtlinien im Konzept erarbeitet. Liegen die Gäste kreuz und quer auf der Liegewiese in geringen Abständen, werden im schlechtesten Fall mit potenziellen Ansteckungen alle Anstrengungen im Innenbereich zunichtegemacht. Wir haben die Liegewiese in unserem Fall in vier Zonen unterteilt. Die Personenzahl pro Zone darf fünf nicht übersteigen, und jede Gästegruppe pro Zone besteht entweder aus einem familiären Verbund oder einer bestehenden Partnerschaft.
Denn auch hier gilt letztlich: Abstand schützt.